Grenzen überschritten im Lake Memphremagog

Von der sternenklaren Nacht bis zum Ziel in Kanada – ein Langstreckenschwimmen voller Willenskraft

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Ein Artikel von Anke Höhne

Der Start in die Dunkelheit

Am 19. August 2025 bin ich den Lake Memphremagog (39,7 km) von Newport (Vermont, USA) nach Magog (Kanada) geschwommen. „In Search of Memphre“ heißt die Längsquerung dieses Sees, dem nachgesagt wird, ein Ungeheuer zu beherbergen. Damit gehört sie zu den legendären Lake Monster Swims (Loch Ness, Lake Tahoe, Lake Memphremagog).

Der Start erfolgte traditionell kurz nach Mitternacht – was ein mehrstündiges Schwimmen in völliger Dunkelheit bedeutete. Da für die Nacht nur 7 Grad Lufttemperatur vorhergesagt waren, hatte ich große Sorgen, auszukühlen. Zum Glück erwiesen sich diese Befürchtungen als unbegründet: Zwar fror die Crew auf dem Boot, doch das Wasser war mit 21–22 Grad angenehm warm und empfing mich wie eine Decke.

Fünf Stunden durch die Nacht

Fünf Stunden lang schwamm ich durch eine sternenklare Nacht, begleitet vom aufgehenden Mond und einem spektakulären Sonnenaufgang. Vorbei an 21 Inseln, bewaldeten Hügeln und Bergen, war die Strecke wunderschön – und im wahrsten Sinne des Wortes grenzüberschreitend, denn die Grenze zwischen USA und Kanada verläuft mitten durch den See. Doch Memphremagog war ein hartes Stück Arbeit: Zwischendurch schien er unendlich, und spätestens ab der Hälfte hatte ich das Gefühl, durch zähen Ahornsirup zu schwimmen.

Durchhalten mit Mantras

Wie immer begleitete mich mein Mann Karl, der sich ums Feeding kümmerte. Obwohl ich wusste, dass man nie fragen sollte „Wie weit ist es noch?“, konnte ich mir diese Frage manchmal nicht verkneifen – die Antworten in Meilenangaben waren entsprechend frustrierend. Die Mantras des Langstreckenschwimmens halfen mir jedoch durchzuhalten: Swim from feeding to feeding, head down, keep swimming.

Ziel erreicht – ein historischer Moment

Um 18:45 Uhr, nach 18 Stunden und 44 Minuten, erreichte ich schließlich Magog. Damit bin ich die erste deutsche Frau, die diese Strecke erfolgreich gemeistert hat – eine Herausforderung, die bisher weniger als 70 Menschen weltweit bewältigt haben. „Part 2“ der Lake Monster Swims ist damit geschafft.

Die Fakten zum Schwimmen

  • Strecke: Lake Memphremagog, 39,7 km
  • Datum & Uhrzeit: 19. August 2025, Start 0:01 Uhr – Ziel 18:45 Uhr
  • Zeit: 18 Stunden, 44 Minuten
  • Temperaturen: Luft 7 °C in der Nacht, bis 22 °C am Mittag
  • Wasser: 22 °C (ungewöhnlich warm nach einem heißen Sommer)
  • Wind: 0–1 Bft, leichter Rückenwind

Aus der Sicht von Karl

Wir waren voller Euphorie aus Hamburg gestartet, doch beim Packen hatten die Wärmemäntel und dicken Sachen den eingeschränkten Flugmöglichkeiten geopfert werden müssen. An Bord trugen wir schließlich drei T-Shirts, zwei Jacken und Regenzeug übereinander, und trotzdem kroch die Kälte durch. Zum Glück zauberte der Kapitän einen kleinen Gasofen hervor, sodass wenigstens die Füße warm blieben.

Das Boot war einfach und bot wenig Schutz. Doch auch hier zeigte sich die Solidarität: Ankes Kajakerin vom „20 Bridges Swim“ in New York kam spontan vorbei, brachte Decke, Jacke und Handwärmer mit – einfach so.

Während Anke konstant 51 Züge pro Minute schwamm, zog sich die Nacht unendlich. Erst gegen 5 Uhr wurde es heller, und mit den ersten Sonnenstrahlen um 6 Uhr atmete das Team auf – das Schlimmste schien überstanden.

Nach 10 Schwimmen über 30 km wusste Anke genau, wie sie sich motivieren konnte. Mit wenigen Zeichen lief die Kommunikation, in den Feedingpausen wurde ein bisschen geredet. „Ab der Hälfte fühlt es sich an, als würde man durch Ahornsirup schwimmen“, meinte sie. Doch nach außen war nichts davon zu merken: keine Beschwerden, keine Krämpfe, kein Nachlassen. Immer weiter.

Ab 15 Stunden erhöhte sie sogar die Schlagzahl auf 55 Züge pro Minute – und schwamm schneller als am Anfang, ein ungewöhnliches Phänomen. Irgendwann, nach 18 Stunden im Wasser, tauchten die ersten Häuser von Magog auf. Ein winkender Mann im Park, ein leichtes Lächeln unter Wasser – und Anke setzte nach 18:44 h den Fuß an Land.

Ohne die flexiblen Trainingsmöglichkeiten beim SV Poseidon, vor allem während der Freibadsaison, wäre diese Vorbereitung nicht möglich gewesen. Vielen Dank!