Drei Europameistertitel für Dieter Seifert

European Masters Championship London 2016 25. Mai – 29. Mai 2016 Unternehmen: Bestes geben – Titel vielleicht verteidigen?

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Ein Jahr lang wurde mehr oder weniger fleißig trainiert. Die Motivation wurde aus der Notwendigkeit genommen, etwas für die Gesundheit zu tun. Vielmehr jedoch im Hinblick auf die Deutschen Meisterschaften in Gera und, wenn möglich, zu den Europäischen Masters-Meisterschaften. Erste Station war jedoch Braunschweig. DM lange Strecken. Eigentlich hatte ich mir in Eindhoven geschworen: „Nie wieder 200 m Rücken!“. Aber wie heißt es so schön „Sag nie – nie.“ Braunschweig war relativ nah und der Zeitaufwand zur Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften relativ gering. Dafür war dann doch die erreichte Zeit über 200 m Rücken „sehr lang“ – mit 3:02,95 konnte ich doch noch den Meistertitel erringen. Aber mit der Zeit konnte man nicht zufrieden sein. Derartige Zeiten reichen für London niemals aus, um auf den vorderen Plätzen landen zu können. Die nächste Prüfung auf dem Weg nach London stellte sich in Gera. Diesmal musste ich mich nicht alleine auf den Weg machen. Noch drei weitere Mitstreiter hatten sich gefunden – Dirk Cohrs, Michael Grebenstein und Georg Koch. Mit diesen Mannschaftskollegen wollten wir mindestens eine Medaille in zwei Staffelwettkämpfen erreichen. Am Donnerstag den 14. April 2016 machten wir uns mit unserem Chauffeur Dirk Cohrs auf den Weg. Am Freitag sollten dann die beiden Staffeln stattfinden – 4*50 m Lagen AK 280+ und in der gleichen Altersklasse 4*50 m Freistil. In der Lagenstaffel reichte es zu einem ordentlichen 6. Platz und in der Freistil-Staffel konnten wir einen sehr guten 3. Platz erreichen. Für meine Mitstreiter war dieses eine prima Wegzehrung für den Heimweg. Denn schon am gleichen Tag traten Dirk, Michael und Georg die Heimfahrt an. Ich hingegen hatte mir noch ein etwas reichhaltigeres Programm zusammen gestellt. Ich wollte eben testen, ob meine Trainingsarbeit für meine Ansprüche an das zu wünschende Ergebnis für London ausreichen würde. Über die 50 m Rücken (0:35,08) und 100 m Rücken (1:18,62) reichte es zur Titelverteidigung und über 50 m (0.29,66) und 100 m Freistil (1:06,27) reichte es zur Vizemeisterschaft. Aber in London würde man wohl mit diesen Zeiten nicht in die Nähe des Podiums gelangen. Dieses Jahr steht ja unter dem Vorzeichen der Olympischen Spiele in Rio. Daher wurden die Meisterschaften alle vorverlegt. Also konnte man nicht wie in der Jahren zuvor eine etwas längere Vorbereitungs-/Trainingsphase in Anspruch nehmen. Alles musste in kürzerer Zeit und intensiver erfolgen. Da ich von Haus  aus  recht bequem = faul bin, war die Motivationslage doch recht heikel. Aber ich hatte ja meine Trainingspläne aus den Vorjahren. Diese konnte ich den Gegebenheiten in diesem Jahr anpassen und dann auch wirklich abarbeiten. Nun kam die Meldephase für London. Für maximal 5 Starts konnte man sich melden. Das Organisationskomitee London und die LEN sind von einer Teilnehmerzahl von ca. 3.000 bis 5.000 ausgegangen. Schnell war aber klar, dass in diesem Jahr diese Teilnehmerzahl wohl weit übertroffen werden würde. So waren schon nach 36 Stunden alle Teilnehmerplätze vergeben. = wer zu spät kommt, den bestraft das Leben = ??? Nicht so bei der LEN. Kurzerhand wurde das Meldeportal wieder geöffnet und die Startmöglichkeiten auf drei reduziert. Eine rechtliche Betrachtung dieser Vorgehensweise würde wohl zu dem Schluss kommen, dass diese Änderung der Ausschreibung innerhalb der Ausschreibungsfrist nicht möglich wäre. Einwände von den Athleten wurden weder vom LOC oder der LEN beantwortet. Vorschläge nicht kommentiert. Hier zeigt sich wohl, wie in allen überregionalen Verbänden eine gewisse Beratungsresidenz. Auch der DSV (= Mastersverantwortliche) reagiert auf Anregungen/Vorschläge nicht. Deshalb habe ich in London weder vom
DSV noch von der LEN Verantwortliche getroffen und gesehen. Man hat sich wohl in den Elfenbeinturm zurück gezogen. Nun aber wieder zur sportlichen Seite dieses Berichtes. Nach Durchsicht der Meldelisten musste ich sehr schnell feststellen, dass die Zeiten von den Deutschen Master-Meisterschaften für London und das Erreichen eines Podiumsplatzes nicht ausreichen würden. ABER: die Zeiten auf dem Papier müssen erst einmal geschwommen werden. Meine Konkurrenten kannte ich schon von den Weltmeisterschaften in Göteborg. Dort hatte mir damals der Italiener Claudio Tomasi über 100 m Rücken eine Bronzemdaille weggeschnappt. Auch der Däne Ebbe Rasmussen war mir gut bekannt. Daher meinte ich gut einschätzen zu können, dass die gemeldeten Zeiten doch relativ nah an der Realität waren. Also Unternehmen Podium oder gar Titelverteidigung schien sehr schwer erreichbar. Am Donnerstag, den 26. Mai 2016 bestieg ich den Flieger Richtung London mit doch sehr gemischten Gefühlen. Angekommen in London machte ich mich gleich in Richtung Aquatic-Center London auf den Weg. Dort traute ich meinen Augen kaum. Oben am Zuschauereingang standen Menschenmassen, die auf Einlass warteten. Am Athleteneingang das gleiche Bild. Würden die im Vorfeld gebildeten Befürchtungen war? Wie ich dann von anderen Athleten hörte, die schon ein, zwei Tage hier waren – JA. Es ging sogar soweit, dass Athleten noch vor der Tür standen, deren Wettkampf bereits stattfand. Dies ließ einiges befürchten. Aber diesen Donnerstag wollte ich in London noch genießen. Es war warm bei Sonnenschein. Sightseeing war angesagt. Abschalten von Wettkampfstress. Am Freitag war ich dann rechtzeitig wieder am Aquatic-Center. Ich traf alte Bekannte, meine Konkurrenten oder andere DSV-Athleten. Es kam wie es kommen musste. Wir standen in der prallen Sonne und warteten. Mit erheblicher Verspätung wurden wir dann eingelassen. Diesmal allerdings dann doch rechtzeitig. Ich machte mich mit den Gegebenheiten vertraut und wartete nun darauf, dass es endlich beginnen sollte. Je älter ich werde, desto aufgeregter werde ich von einem Start – nichts zu spüren von der sog. Altersgelassenheit. Ich redete mir ein, dass ich ja schon zufrieden sei, wenn ich aufs Podium kommen würde. Eine – eine Medaille würde mir doch schon reichen (?). Dann wurde unser Wettkampf aufgerufen – zum warm up. Lauf 1-25. Dann Lauf 26 -45. Dann begann der Wettkampf. Nach Lauf 45 im Wettkampf wurde eine Pause für ein weiteres warm up eingelegt. Ich war jedoch schon im Lauf 12 am Start. Langer Pfiff – take your marks – Start. 50 m sind kurz – es muss alles klappen. Dann nur noch Power – Anschlag und ein Blick auf die Anzeigentafel. Durch meine Kurzsichtigkeit ein aussichtsloses Unterfangen. Für die Mitstreiter allerdings auch, das Ergebnis sehr schnell der Anzeige des nächsten Laufes wich. Also fragten wir die nachkommenden Athleten. Die Athleten, die  vor uns ihren Wettkampf bestritten, mussten die Halle sofort wieder verlassen. Dann stand es endlich fest. Podium erreicht – Titel verteidigt. Ich hatte die 50 m Rücken in 0:35,51 gewonnen und kann mich für ein weiteres Jahr (dann verlasse ich die AK65) Europameister nennen. Das mir selbst gesetzte Minimalziel war erreicht. Also hätte ich doch die kommenden Wettkämpfe entspannt angehen können. Das allerding entspricht nicht meinem Naturell. Am nächsten Tag, Samstag den 28. Mai warteten die 200m Rücken auf mich. Diesmal konnte ich im Olympia-Becken schwimmen. Aber vorher war wieder Schlange stehen angesagt. Um 5.45 Uhr fanden sich die Athleten für diesen Wettkampf ein. 6.15 Uhr war Einlass. Ab 6.30 Uhr konnten wir ins Becken zum warm up. Wie jedes Mal sehr stark reglementiert. Pünktlich um 7.30 Uhr wurde der erste Start an diesem Tag vorgenommen. Ich war im 6. Lauf `dran. Wieder gegen mir altbekannte Mitstreiter. Meine Zeit von den „Deutschen“ würde gerade so für den 4. Platz reichen. Die Chance aufs Treppchen zu kommen war daher relativ gut. Dreier Pfiff – ins Wasser – langer Pfiff – take your Marks – Start. Da ich durch meine Meldezeit auf Bahn zwei (von 10 Bahnen) starten musste, konnte ich meine stärkste Konkurrenz nicht beobachten. Meine unmittelbaren Gegner auf den benachbarten Bahnen konnte ich doch relativ schnell hinter mich lassen. Das machte mir Mut. War ich doch gut unterwegs? Anschlag. Ja ich war gut unterwegs. Ich hatte meine Zeit von Braunschweig m 8 Sekunden unterboten und konnte in 2:54,64 meinen in Eindhoven gewonnenen Titel erfolgreich verteidigen. Das zweite Gold. Jetzt fehlte doch eigentlich nur noch eine Goldmedaille über 100 m Rücken, um den „totalen“ Erfolg komplett zu machen. Aber es muss erst geschwommen sein. Am Sonntag war unser Wettkampf über 100 m Rücken um 14.00 Uhr angesetzt. Mit gut 90 Minuten Verspätung wurden wir ins Bad gelassen. Dies war sicherlich nicht förderlich, um meine Nervosität zurück zu fahren. Dieser Wettkampf fand wieder im Keller statt. Eigentlich das Einschwimmbecken. Ein gutes Omen? Ja. Meine Zeit von Gera konnte ich um fast 2 Sekunden verbessern. Meine Mitbewerber haben allerdings ihre Zeiten auch verbessern können. Trotzdem reichte es zum dritten Mal. Ich konnte wieder meinen Titel zu verteidigen. Drei Mal Europameister – das hätte ich mir nicht träumen lassen. Der Trainingsaufwand hat sich gelohnt und mir gezeigt, dass Fleiß eine Voraussetzung für Erfolg ist.